Als studierter Industriegestalter entwickelt Simon Husslein Produkte, Möbel, Installationen und Raumgestaltungen – und immer wieder auch Uhren: Bereits als junger Designer gestaltete er gemeinsam mit seinem Mentor Hannes Wettstein NOMOS-Modell Zürich, zuletzt als Creative Director des Studio Hannes Wettstein die Uhr Minimatik. 2015 gründete Simon Husslein sein eigenes Atelier. Was ihn bei seiner Arbeit inspiriert, erzählt er hier.

Hast Du künstlerische Vorbilder?

Simon Husslein: Hannes Wettstein hat mich sehr geprägt. Mit ihm durfte ich über Jahre sehr eng zusammenarbeiten. Mich fasziniert noch heute, wie seine Entwürfe eine übergeordnete Logik haben, die emotional aufgeladen und nie langweilig ist. Auch seine Sehnsucht nach archetypischen Lösungen ist mir geblieben. Ron Arad, der zu meiner Zeit das Masterprogramm am Royal College of Art in London leitete, hat ebenfalls einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Er hat die Fähigkeit, das wirklich Wichtige zu identifizieren und zum Ausdruck zu bringen. Kreative, deren Arbeiten ich sehr schätze, sind beispielsweise Donald Judd mit seinen minimalistischen Möbelentwürfen, Olafur Eliasson als Zaubermeister, Andy Goldsworthy, der im Freien unglaublich starke Skulpturen entwickelt, oder auch Sasha Waltz, die Bewegung und Raum virtuos zu verbinden weiß.

Büroumbau für die Agentur SiR MaRY: An der Decke wurde der Name der Agentur aus 60 Meter langen LED-Bändern geformt. Das Projekt entstand zusammen mit der Architektin Silvia Baumgartner.

Was sind aktuelle Projekte, auf die Du besonders stolz bist?

S. H.: Soeben haben wir einen Büroumbau für eine Werbeagentur abgeschlossen. Die Stimmung der neuen Räume ist einfach gut geworden. Im Zentrum steht ein neun Meter langer Arbeitstisch, für den wir ein super Arbeitslicht geschaffen haben: ein 60 Meter langes Lichtband, welches den Namen der Agentur schreibt. Viele Arbeitsplätze sind mit direktem Licht zu grell ausgeleuchtet, unser LED-Band ähnelt dagegen einer angestrahlten Decke.

Meetingraum von SiR MaRY in RAL 8024. Der Stehtisch wurde mit Blattgold bezogen und angeschliffen.

S. H.: Es gibt zwei Meetingräume, einer davon unifarben ganz in Braun gehalten, mit Teppich hoch bis an die Decke, das schafft eine einmalige Stimmung und Akustik. Der große Tisch im Zentrum des Raumes hat eine Holzoberfläche, die auf traditionelle Weise mit Blattgold belegt wurde. Nachdem wir das Tischblatt am Ende noch leicht angeschliffen hatten, sah es aus, als hätten wir es aus einer alten Russisch-Orthodoxen Kirche geklaut.

Ein analoger Rückzugsort aus Holz, in den kaum Handy- oder WiFi-Strahlen eindringen können.

S. H.: Den zweiten Meetingraum haben wir als Holzkubus gebaut und komplett mit einem engmaschigen Kupfernetz überzogen. Das funktioniert wie eine Metallkapsel, in die kaum Handy- oder WiFi-Strahlen eindringen. SiR MaRY wurde in der Schweiz gerade als Digitalagentur des Jahres ausgezeichnet – da passt doch ein analoger Raum, der ganz ohne Ablenkung zum Denken, Reden und Schreiben einlädt, ganz gut.

Wo sammelst Du neue Ideen?

S. H.: Ich analysiere vieles, was mir im Alltag begegnet, und bringe es mit meinen laufenden Projekten in Resonanz. Auch die Arbeit als Gastprofessor an der Hochschule für Kunst und Design HEAD in Genf ist super inspirierend. Gerade habe ich in Santiago einen Workshop mit Studenten aus der Schweiz und aus Chile geleitet. Eine großartige Verdichtung ganz unterschiedlicher Betrachtungs- und Herangehensweisen.

Wann wird Leidenschaft zu Arbeit?

S. H.: Ich schätze mich glücklich, dass ich mit der Gestaltung von Dingen, Räumen und Erlebnissen mein Geld verdienen kann. Aber das Wort Leidenschaft hat ja auch mit Leiden zu tun. Etwas so gut wie irgendwie möglich lösen zu wollen, erfordert einen langen Atem und eben viel, viel Arbeit.

Simon Husslein bei der Arbeit: Ein Uhrengehäuse entsteht auf Papier, am Bildschirm, aus Kunststoff und Gips.

Die Gehäuseform von Lux wurde an den Geraden bei 12 und 6 Uhr ganz leicht bombiert, so entsteht eine noch weichere Gesamterscheinung.

Welches von Deinen Produkten ist Dir das liebste?

S. H.: Ich schaue generell lieber nach vorn als zurück. Auch bei den Uhren für NOMOS Glashütte möchte ich nicht wertend unterscheiden. Modell Zürich, das noch zu Lebzeiten von Hannes Wettstein entstand, war die erste NOMOS-Uhr, an der ich gearbeitet habe. Sie ist somit etwas ganz Besonderes für mich. Die Gehäuseentwürfe der Golduhren Lambda und Lux sind fast zeitgleich entstanden: Lambda schmiegt sich perfekt ans Handgelenk an und man spürt den Wert des Werkes und des Gehäusematerials, das geht richtig unter die Haut – ich liebe es, sie zu tragen. Lux ist für eine Uhr, die ein so traditionelles Werk in Tonneau-Form einfasst, total frisch und lebensfroh geworden. Und die Gestaltung der Minimatik ist für mich einfach perfekt. Eigentlich ist das ja unmöglich, weil man vermeintlich immer noch etwas verbessern kann, aber ich wüsste in diesem Falle wirklich nicht, was.

Die Krone von Golduhr Lambda war fast schon ein Designprojekt für sich: Ihre Formen wie auch die des Gehäuses und der Bandanstöße beziehen sich auf NOMOS-typische Gestaltungsmerkmale.

Was gefällt Dir daran, nicht frei zu arbeiten, sondern auch für eine Marke wie etwa NOMOS Glashütte?

S. H.: Ich komme ja ursprünglich vom Industrial Design, das habe ich bis 2000 in Darmstadt studiert. Die Schule sah sich in der Tradition von Ulm, Bauhaus und Werkbund. Serienprodukte zu gestalten, macht ohne einen Hersteller beziehungsweise eine Marke überhaupt keinen Sinn. Somit war und ist diese Form der Zusammenarbeit für mich schon immer ganz selbstverständlich. Ich will mit meinen Ideen und Themen gar nicht im stillen Kämmerlein bleiben. Mich reizt der Austausch mit den Firmen und die Relevanz, die ein Produkt über eine starke Marke bekommen kann.

NOMOS-Modell Minimatik: Die Form der verdrehten Seitenflächen zwischen den Bandanstößen, die über den konischen Grundkörper verläuft, wurde anhand diverser Zwischenmodelle verfeinert.

Womit beschäftigst Du Dich am liebsten?

S. H.: Als Gestalter am liebsten mit Uhren, Möbeln und spannenden Räumen. Und ich tüftle gerne an den Details, sobald das große Ganze feststeht. Ob das die formale Integration der Krone einer Armbanduhr ist, die Verbindung zweier Holzteile bei einem Stuhl oder der erste Blick beim Betreten eines Raumes. Für viele Details lohnt es sich, so lange dran zu bleiben, bis sie wirklich stimmen.

Was ist 2019 Deine Lieblingsfarbe?

S. H.: Jetzt gerade? RAL 8024.                                                                                                                                                      

Wie würdest Du Deine Wohnung beschreiben?

S. H.: Luftig, natürlich, hell, kinderfreundlich. Meine Partnerin ist Modedesignerin, da müssen die Dinge schon passen, bevor sie bei uns einziehen dürfen. Wie zum Beispiel das Mobile LMC von Jordi Canudas im Kinderzimmer. Es verzaubert den ganzen Raum, wenn die Sonne durch das Fenster fällt.

Wenn Du Dir etwas wünschen dürftest: Was wäre das?

S. H.: Für mich wünsche ich mir Kunden, die eine klare Meinung haben und dabei tolerant und respektvoll sind. Und gerne auch großzügig. Zusammen mit Persönlichkeiten, die einen hohen Anspruch haben und bereit sind, mehr zu tun als erst einmal nötig, können die besten Ergebnisse entstehen. Und generell wünsche ich mir eine Welt, in der gut gestaltete Dinge noch mehr Wertschätzung erfahren. Wenn wir weniger verbrauchen und dafür Gutes langfristig behalten, wäre das Nachhaltigkeit im besten Sinne.

VERÖFFENTLICHUNG: September 2019
TEXT: NOMOS Glashütte
BILDER: 1. Lozza, 2.–4. SiR MaRY/Simon Husslein, 5. NOMOS Glashütte/Studio Wettstein, 6.–8. NOMOS Glashütte/Holger Wens