Hinter all unserem Streben und Tun im Leben stehen vor allem zwei Dinge: die Suche nach Freundschaft, der Wunsch nach Liebe. Und wir träumen von einer Welt, die bleibt, einer Welt, in der wir einfach wir selbst sein können. Dinge? Sollten keine allzu große Rolle spielen. Und doch gibt es unter den Dingen Begleiter, deren Treue und Schönheit die vieler Menschen übertreffen. Nicht die modischen, nicht die zwangsläufig teuren Dinge sind dies – sondern jene, die nachhaltig alle Zeiten überdauern.

Viele Architekten lieben, das ist bekannt, NOMOS-Modell Tangente. Denn wer konstruieren, rechnen, planen kann, wer einen geschulten Blick besitzt, weiß vielleicht noch mehr als andere, Klarheit, gerade Linien, Funktionalität zu schätzen.

Von diesen Dingen gibt es glücklicherweise viele auf der Welt. Das Tiroler Architekturzentrum „aut. architektur und tirol“ hat sie für eine Ausstellung mit dem Titel „einfach alltäglich“ gesammelt und dabei zahlreiche Architekten befragt. Einige von ihnen zitieren wir unten mit ihren Lieblingsdingen, die manchmal von berühmten Designern gezeichnet, manchmal einfach anonym entstanden sind. Sie alle prägen und bereichern unseren Alltag. Manches kostet nur ein paar Cent. Und ist dennoch unsere Aufmerksamkeit wert. Denn auch die kleinen Dinge, so sagte einer der Gesprächspartner, sind „unendlich wichtig.“

Supernormal: Schönheiten aus drei Generationen

Schnittlinien

  1. Schere handgeschmiedet, aus dem Hausrat der Großeltern, vermutlich 19. Jh., schneidet unübertroffen feste Kartone etc., immer noch in „selbstverständlichem“ Gebrauch.

  2. Schere aus den 1950er Jahren, vertrauter Gegenstand seit Kindheitstagen bei ersten Zeichnungen und Basteleien (schon damals architekturaffin), für Haushalt Überlänge, frühe Übernahme für Sonderfälle ins Büro.

  3. Schere, erworben 1991 in den USA, gekauft während der Lehrtätigkeit an der University of Illinois in Urbana-Champaign, seither Alltagsschere im Büro, vielfach gesucht und wiedergefunden.

Ernst Beneder, geb. 1958, Architekt, Wien

Allen Argumenten überlegen: Tisch E 1027, Entwurf der irischen Innenarchitektin Eileen Gray

Eileen Gray: Tisch E 1027

Ich habe bei mir zu Hause nur eine von Eileen Grays Arbeiten: ihren Beistelltisch E 1027. Dieser Tisch steht exemplarisch für ihr Werk: Er ist aus Chrom und Glas gefertigt, rund und mit einem Griff versehen, so dass man ihn ganz einfach an einen anderen Ort rücken kann. Er lässt sich verstellen … nach oben oder unten … die runde Standfläche ist kein geschlossener Kreis, sondern an einer Seite geöffnet – so kann der Tisch einfach unter Sofa, Stuhl oder Bett geschoben werden … die Oberfläche ist aus Glas, man kann also ohne Probleme heiße Dinge darauf abstellen … und die Transparenz des Glases lässt uns das Material Metall noch bewusster wahrnehmen.

Dieser Tisch ist komplett durchdacht … er kommt uns entgegen … ist auf seine Funktion hin entworfen … wunderschön gefertigt … ein Kunstwerk. Zwei voneinander getrennte Kreise, einer geschlossen, einer offen; einer mit Glas ausgefüllt, der andere leer; eine Kette, ein Metallstift – eine einfache Vorrichtung, die es erlaubt, die Höhenverhältnisse nach Wunsch zu ändern … und dieser Griff … wie viele Tische kennen Sie, die einen eingebauten Griff haben? Wie im Märchen „Goldlöckchen und die drei Bären“ … Der Tisch ist nicht zu schwer, nicht zu leicht – er ist genau richtig.

Der Griff ist 22 Millimeter dick und 105 Millimeter lang; der Tisch hat einen Durchmesser von 510 Millimetern mit einem 22 Millimeter breiten Metallrand. Das 28 Millimeter dicke Stahlrohr der Standfläche hat eine 315 Millimeter große Öffnung. Es gibt acht verschiedene Höheneinstellungen, jeweils 45 Millimeter voneinander entfernt … indem man einen feinen Metallstift an einer Kette befestigt, kann der Tisch auf eine Höhe von 610 bis 1010 Millimeter gebracht werden, kann also auch bequem im Stehen genutzt werden. Commonsense mit einem einzigartigen persönlichen Touch. Das ist Eileen Gray.

In seiner Biografie schreibt Peter Adam über Eileen Gray: „Das Biegen und Falten einzelner Elemente erzeugt eine Art mechanisches Ballett, das zum Markenzeichen ihrer Gestaltung wurde.“

Was Eileen Gray über ihre eigene Arbeit nicht sagen konnte oder wollte, drückt diese selbst aus. Sie schrieb in eines ihrer Notizbücher: „Ein schönes Kunstwerk spricht mehr Wahrheit als der Künstler.“

Yvonne Farrell, Grafton Architects, geb. 1951, Architektin, Dublin (Irland)

Einfach, überall: Lieblingsschreibgeräte mit Graphitmine, im Holz des Virginischen Wacholders

Bleistifte

Für mich sind diese kleinen Bleistifte einfach praktisch und in meinem Alltag nicht wegzudenken. Ich hab zwei oder drei immer dabei, im Büro, hinter dem Ohr stationiert oder auswärts in der Hosentasche.

Elmar Ludescher, geb. 1969, Architekt, Bregenz

Guter Freund in der Küchenschublade: Pfannenschieber aus Birnenholz

Pfannenschieber

Egal, ob es in der Früh Spiegeleier oder Kaiserschmarren gibt, dieser Pfannenschieber ist zu meinem Freund geworden, einem Küchenfreund. Er wurde von meinem Schwager, dem Bildhauer Raimund Löhr, aus Birnenholz angefertigt. Er hat am Ende einen Knauf, an dem man ihn fest anpacken kann. Dadurch ist er auch insgesamt ausbalanciert, wenn man ihn in der Mitte hält. Das Holz ist dicht, fein und gut zu pflegen.

Philip Lutz, geb. 1966, Architekt, Bregenz

Dinge, die man nur lieben kann: hübsch bescheidene Klammern

Foldback-Klammern

Am einfachsten ist es, gegenwärtig infantile „Informationen“ rasant zu verstreuen und am alltäglichsten ist das Heischen um eitle Aufmerksamkeit – die Aufregung, das Echauffieren über belanglose Zustände und Meinungen, die nicht betreffen, dominieren den Bewusstseinszustand und bestimmen die Sicht auf das Konkrete, auf das einfache Umfeld, auf das, was der Fall ist und das, was alltäglich betrifft. Im „blinden Fleck“ dieser hysterisch paranoiden Wahrnehmung existieren aber Dinge, kleine Dinge, Dinge, die die Welt zusammenhalten, unscheinbar und unaufgeregt sind sie einfach da, man bemerkt sie erst, wenn sie fehlen und man weiß nicht, wer sie erfunden oder gefunden hat, sie bleiben anonym. Mit Zufriedenheit kann man beobachten, dass sie in ihrer Unscheinbarkeit jeden Lifestyle überleben werden, sie sind die Substanz dessen, was sie sein wollen, bleiben bescheiden, versprechen nicht mehr, und erst in der Anwendung bemerkt man ihren Charakter und ihre ganze Intelligenz. Sie sind zweckmäßig, voll Anmut und von Dauer – ihre Existenz ist einfach ein Glücksfall.

Werner Neuwirth, geb. 1964, Architekt, Wien

Der Inbegriff einer Espressotasse und eine Form von Art Detox: weißes Hartporzellan, dickwandig und so, dass die Crema sich gut aufbauen kann

Espressotasse

Ich kann mir nicht vorstellen, wie viele Espressotassen es gibt. Wie die ausschauen? Wie sie aufgestapelt auf Tausenden von Cimbali oder Faema die Hitze des Blechs aufnehmen. In Wartestellung sozusagen. Wie die Pinguine, die dann einer nach dem anderen hinunterhüpfen, mit ihren weiß schimmernden Bäuchen. Alle gleich. Ein Espresso nach dem anderen, weiße Tassen, weiße Bäuche. Nach ein paar Handgriffen gleiten sie über den Tresen, zack zack, klemmen sich zwischen die Finger und werden leicht hin und her gewogen.

Kurz und unvermeidlich geraten sie in eine Lage über die Horizontale hinaus und erkennen es erst, wenn sie den genüsslich kräuselnden Lippen nachsehen. Ihr dickwandiger Körper setzt einen prägnanten Ton ab, sobald er niedergestellt wird, die Keramik kühlt langsam ab, während der Satz trocknet. Manchmal wiegt man die Tasse auch noch in der Hand, bis man sie weitergibt zu den anderen Weißbäuchigen in die Spüle.

Simon Oberhammer, geb. 1979, Architekt, Wien

Logbuch eines Jahres: der Taschenkalender

Kalender in meinem Taschenformat A4

Lässt sich durch die Ringbindung flach aufklappen. Front- und Rückendeckel aus schwarzem Karton schützen gut und machen das Logbuch nicht zu schwer. Getöntes, ungestrichenes Papier in adäquater Grammatur. Eine Seite pro Woche, zwei Wochen übersichtlich nebeneinander, wichtig sind die Nummern der Kalenderwoche.

Die Wochentage auf der Seite vertikal organisiert: „hierarchisch“ – meist der Wochenintensität folgend, mit dem dichten Anfang oben und dem offenen Ende unten. Horizontale Gliederung der Seite durch die Tagesquadrate: oft mit Beruflichem links und Privatem rechts beschrieben – Besonderheiten werden im Quadrat notiert (z. B. Geburtstage). Die Tage haben keine Markierung der Tagesstunden – „weder Stricherln noch Nummern“ – was meinem Alltag und Arbeitsweise entspricht.
Jahresübersicht vorne im Kalender, Jahresvorschau nach den 52 Wochen, dahinter 20 leere Seiten für Notizen und Skizzen.

Für 2017 zu spät mit der Bestellung des Kalenders – ausverkauft! Ersatz gesucht und etwas gekauft. Da ist mir bewusst geworden, wie sehr meine Organisation visuell mit der seit Jahren verwendeten Kalenderstruktur verbunden ist.

Martin Scharfetter, geb. 1972, Architekt, Innsbruck

VERÖFFENTLICHUNG: Dezember 2019
TEXT: NOMOS Glashütte, aut. architektur und tirol, aut.cc
BILDER: 1.–2. aut. architektur und tirol, 3. aut. architektur und tirol. Adjustable Table E 1027 von Eileen Gray, Hersteller ClassiCon. Authorised by The World Licence Holder Aram Designs Ltd., London. 4.–7. aut. architektur und tirol