Haben Sie je die Zeiger Ihrer Uhr dabei beobachtet, wie sie ihre Kreise über das Zifferblatt ziehen – und sich gefragt, wie all das funktioniert? Hier bringen wir für Sie Licht ins Dunkle.

Aber von vorn: Um zuverlässig arbeiten zu können, benötigen Uhrwerke zunächst einmal eine Energiequelle. Und diese Energiequelle, ob für Handaufzüge oder Automatikwerke, sind Sie, die Trägerin, der Träger der Uhr. Denn damit Handaufzugsuhren gehen, muss man sie aufziehen: Nach wenigen Umdrehungen an der Krone setzt sich die Unruh in Bewegung. Spürt man einen deutlichen Widerstand, ist das Federwerk vollständig gespannt. Bei einer Automatikuhr dagegen genügen wenige Bewegungen mit dem Arm: Es reicht, wenn man eine Suppe umrührt, die Blumen gießt oder mal wieder zum Staubsauger greift. Sobald das Werk einmal läuft, passiert der Rest von alleine – eben automatisch. Bei beiden Uhren respektive Werken aber gilt: Sie brauchen auch einen Energiespeicher, Zeiger, die daraus angetrieben werden, und ein Reguliersystem, das dafür sorgt, dass die Zeiger nicht zu schnell und nicht zu langsam vorrücken.

Der Rotor wird ins Werk gesetzt: Er sorgt im Automatikwerk für den nötigen Schwung, verwandelt Kraft in Zeit.

Das Reguliersystem ist der taktgebende Teil des Uhrwerks: eine winzige Baugruppe nur, bestehend aus Unruh, Spirale, Anker und Ankerrad, und doch das Herz einer jeden mechanischen Uhr. Die gespannte Zugfeder speichert die Kraft im Federhaus, von dort wird sie über die drei Zahnräder (Minutenrad, Kleinbodenrad, Sekundenrad) auf das Ankerrad übertragen – der Anker erhält einen Stoß. Das lange Ende des Ankers gibt diesen Impuls an die Ellipse der Unruh weiter, diese dreht sich und spannt die Spirale. Nur so weit jedoch, wie die Energie des Impulses reicht: Dann schwingt die Unruh zurück, die Kraft macht sich auf den Rückweg. Durch das Vor und Zurück entsteht eine Schwing-Bewegung – sie ist die Namensgeberin des NOMOS-Swing-Systems, des hauseigenen Reguliersystems der Manufaktur. Dieses selbst zu fertigen ist eine technische Herausforderung und Seltenheit in der Welt feiner Uhren – NOMOS Glashütte jedoch beherrscht diese Kunst.

Das Reguliersystem ist auch verantwortlich für das Tick und Tack der Uhr: Das Ankerrad ist ein Rad mit ganz speziellen asymmetrischen Zähnen. Im Werk dreht es sich nicht kontinuierlich, sondern – durch das Einhaken des Ankers – Stück für Stück: pro Stück ein Tick. Das Reguliersystem hält also mit jedem Tick und Tack die Uhr kurz an, lässt eine immer gleiche Zeit verstreichen und treibt dann die Zeiger ein winziges Stück weiter.

Die Zähne des Ankerrads sind so geformt, dass die beiden Enden des Ankers wechselweise eingreifen können.

Der Anker ist mit feinen Rubin-Paletten bestückt. Wie winzige Beine haken sie in die Zähne des Ankerrads ein.

Dank der Unruh – hier mit blauer NOMOS-Spirale – gibt die Zugfeder ihre Kraft geregelt ab und nicht auf einen Rutsch innerhalb von Sekunden.

Dieser Vorgang wiederholt sich sehr oft: Die Schwingfrequenz einer Uhr liegt bei drei Hertz, das sind sechs Halbschwingungen pro Sekunde (die Uhr wird von der Hemmung sechsmal in der Sekunde angehalten). 21.600-mal in der Stunde – und 518.400-mal am Tag – schwingt der Unruhreif von NOMOS-Uhren hin und wieder zurück und teilt dabei die Zeit ein. Letztlich hängt die Genauigkeit einer Uhr vor allem davon ab, wie gleichmäßig das Reguliersystem die Zeit abwarten kann, bis die Kraft der Feder für ein winziges Drehen der Zeiger freigegeben wird. Man kann also sagen: Das Messen von Zeit ist das Abzählen von Pausen.

Zeit in ihrer schönsten Form: neomatik-Datumskaliber DUW 6101, zu sehen durch den Saphirglasboden von NOMOS-Automatikuhr Tangente Update.

Ist alle Spannung abgegeben, muss die Uhr wieder aufgezogen werden. Bei NOMOS-Uhren passiert das nach etwa 43 Stunden – beziehungsweise 42 Stunden, wenn das Kaliber über eine Komplikation verfügt. Denn zum Schalten etwa eines Datums braucht die Uhr, klar, auch ein wenig mehr Kraft. Um dann wieder, präzise und zuverlässig, weiter zu ticken: Bei ausreichend Energie unglaubliche 100 Millionen Mal im Jahr.

VERÖFFENTLICHUNG: September 2019
TEXT: NOMOS Glashütte
BILDER: 1.–6. NOMOS Glashütte/Holger Wens