Michael Martin, 33, arbeitet bei Code and Theory
in San Francisco. Die Agentur gibt auch traditionellen Medien ein modernes Gesicht – und setzt dabei
vor allem auf eins: Inhalt.
Wer amerikanische Nachrichten verfolgt, könnte schon einmal Bekanntschaft mit Code and Theory gemacht haben. Die Kreativagentur hat unter anderem Websites für Bloomberg gestaltet, eine BBC-App entwickelt und eine Multimedia-Installation im Hearst Tower in New York City geschaffen. Schon der Name deutet an, worauf es den Machern ankommt: Für Code and Theory sind Technologie und Ideen zwei Seiten derselben Medaille – untrennbar miteinander verbunden.
Michael Martin ist Managing Partner der Agentur und leitet das Büro an der Westküste, in San Francisco. Vor vier Jahren hat er dafür New York den Rücken gekehrt. Mit einer Arbeit über sogenannte Nicht-Orte hatte er einst sein literaturwissenschaftliches Studium abgeschlossen: „Orte, die ohne soziale oder räumliche Erinnerung existieren“, wie Martin erklärt. Etwas, das viel auch mit dem zu tun hat, was er heute macht.
Nach seinem Abschluss entschied sich Martin zunächst für eine 180-Grad-Wende: „Ich wollte keine Karriere als Literaturwissenschaftler machen. Also habe ich mich dazu entschlossen, mich in Sachen Business weiterzubilden“, so Martin. Er ging zunächst zur Deutschen Bank, wo er als Analyst einstieg, im Private-Equity-Bereich arbeitete, lernte, wie Unternehmen ticken und Investoren denken. Die Gründer von Code and Theory, Brandon Ralph und Dan Gardner, kannte er damals bereits.
Heute arbeitet Martin meist von seiner Wohnung am Jackson Square in San Francisco aus, und das sehr gern: Der umliegende historische Bezirk werde gerade zu „einem sehr schicken kleinen Viertel“, sagt er.
Für Martin der ideale Ort zum Leben und Arbeiten. Er schätzt die Nähe zur Natur und die kulturellen Vorzüge des urbanen Lebens. „Ich spaziere gern im San Francisco Museum of Modern Art herum. Die ständige Sammlung ist großartig, insbesondere die Arbeiten von Gerhard Richter“, erzählt er.
So vielseitig wie San Francisco ist auch seine Arbeit: Abstrakte Ideen sind ihm so wichtig wie profundes Medienwissen. „Für uns zählen
Kommunikation, Transparenz, Ehrlichkeit und Vertrauen“, sagt Martin. Und das Ziel, für die Kunden etwas Neues zu erreichen. Die Welt des Online-Publishing sei eine komplizierte geworden. Einerseits gebe es mächtige Plattformen, auf denen viele Menschen einen großen Teil ihrer Zeit verbringen – Orte, die das Internet zu einem „Nicht-Ort“ für alle machten: Facebook oder Instagram etwa. Auf der anderen Seite seien da nahezu anarchistische Orte wie 4chan oder Reddit.
„Das Wie und Wo wird immer unwichtiger“, das Erlebnis an sich, die Inhalte selbst zählten: „Die größte Herausforderung, der sich Medienunternehmen heute stellen müssen, ist keine Frage des Layouts, wohl aber der Gestaltung. Wie gestaltet sich die Beziehung zwischen der Öffentlichkeit und den gesellschaftlichen Institutionen? Die Medien fungieren als Vermittler zwischen beiden“, sagt Martin. „Dafür müssen sie Risiken eingehen und sich auch trauen, starke Meinungen zu vertreten.“ Haltung beweisen also, ob online oder offline.